Splice
Postmoderne Familie
Vermarktet als Monsterschocker in der Tradition von ›Alien‹ und ›Species‹, ist Natalis neuer Film auf genauen Blick hin mehr, als nur ein weiteres Derivat von Sci-Fi-Horror. Es ist auch ein Film über die Postmoderne und ihre Performer. Mit teils ironischem Blick gelingt Natali seine Sicht auf unsere Gesellschaft und deren Konsequenzen für das romantische Ideal vom Mikrokosmos Familie.
War der »science nerd« bisher immer noch der alte, spleenige Professor im weißen Kittel, so ist es nun mit Elsa und Clive in ›Splice‹ ein lifestyle-orientiertes, multi-kulti-interessiertes Paar in der Blüte seiner Endzwanziger. Auf der Suche nach seiner Life-Work-Balance und mit ausgeprägtem Hang zu Retrositäten: Man fährt im 70er Jahre-Wagen chinesisches Essen holen oder Pizza, mal macht man sich Tofu-Brei. Man hört Jazz vom Grammophon-Vinyl, Elektrobeats aus dem Laptop oder Hard Rock von der 80er Kassette. Das Motto-Shirt, das den Job persifliert trägt sich genauso zur Outdoor-Jacke wie die Sowjet-Mütze zur Blue-Jeans. Man lebt im roten Ziegelbau der Großtadt und wünscht sich in das lichtdurchflutete Penthouse-Loft im ehemaligen Industriebau. Für das Wochenende: eine Farm auf dem Land. Das Japanische Manga-Poster hängt zu hause an der Wand, 50er Jahre Pin-Up-Sticker am Arbeitsplatz … hier klebt im wahrsten Sinne des Titels alles aneinander, alles Alte, Bisherige, ist mit dem Hier und Jetzt verbunden.
Der Name ist Programm: »Spliced by Clive and Elsa« – »Verknüpft von Clive und Elsa«. Das ist es, was sie tun, denn nur das ist ihre Profession. Sie verkleben Dinge miteinander, die nach bisheriger Vorstellung von einander ausgeschlsossen waren, ohne, dass sie zu einem Ganzen würden. Kleidungsstile, Essgewohnheiten, DNA-Stränge u.m. So wild zusammen gewürfelt wie einem das Privatleben der beiden erscheint, so eklektizistisch gehen sie auch im Labor mit dem gesamten Fundus an DNA um, den die Natur zu bieten hat. Ein Strang Flora hier, ein wenig Nager da, mehr vom Federtier, vom Amphibium und und und … zu guter Letzt noch ein Fetzen vom hohen Geschöpfe homo academicus selbst. Die Hybris ist für den Beobachter unverkennbar. Clive und Elsa sind spielende Kinder. So gerät flux das zufällige Experiment zum hippen Musikvideo. Schnell animiert, drunter und drüber liegen die Elektrobeats. Doch so leicht geben sie sich mit Natalis Montage nicht zufrieden. Entnervt stoppt Clive den Musikclip – durchbricht anscheinend die Diegese – und wechselt über zu einem Jazz-Soundtrack. Solche Momente der Selbstreflexion machen stets besonders Spaß und mit der kleinen Prise Retro-Hochkultur klappt dann endlich auch das Gen-Geklebe. (Auch das verkleben der analogen Filmstreifen beim anfertigen des Schnitts, wird im Englischen ›splicing‹ genannt, entsprechende Chemie ›Splicer‹.)
Das vom FX-Team ›ge-splice-te‹ Geschöpf selbst ist dann treffenderweise auch markiert mit einer Schweißnaht, die unverkennbar bleiben lässt, dass es nicht aus einem Guss entstanden ist, sondern eben aus Unmöglichem zusammen geklebt. Selbst sein Name wird das Produkt von Sampling bereits Gewesenem sein. Man sollte annehmen, hier kann nichts mehr überraschen. Doch Natali tut gut daran, sich nicht mit dem Vorhersagbaren aufzuhalten. Er bleibt seinem eigentlichen Thema treu, für das »das Genexperiment« nur die Folie bildet: Clive und Elsa werden Eltern, die ihrem besonderen Nachwuchs nicht gewachsen sind und die Fehler ihrer eigenen Eltern wiederholen. Die Schwächen des unbedarften Rückgriffs auf das bereits Dagewesene werden hier offenbar, an der Schnittstelle von Eltern und Kind, von Schöpfern und Geschöpf. Clive und Elsa haben von sich aus wenig zu bieten. Nicht einmal eine gemeinsame Sprache werden die drei finden. Ihre Kommunikation, ihr ganzes Zusammenleben ist geprägt von Überraschungen und Missverständnissen. Quer durch diese Familie geht eine Fuge, deren Vertiefung wieder und wieder zu wiederholen Natali sich erfolgreich zur Aufgabe gemacht hat. Ein komplexes, realistisches Familienporträt.
Das Finale von ›Splice‹ scheint hingegen den gleichen Interessen zum Opfer gefallen zu sein, wie seine Vermarktung. Hier ließ sich Natali wohl das Ruder aus der Hand nehmen. Insgesamt aber ist ›Splice‹ ein durch und durch intelligenter Film, der auch von Natalis Freud-Rezeption kündet und dem Sci-Fi-Monster-Movie eine neue Dimension verleiht, die ihm durchaus gut tut.